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Wie
ein Kind
zwischen alle
Fronten gerät |
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Pflegelternschaft,
Jugendamt, und
die Gerichte: Das Schicksal von
Anthony D. hat sich zu einem
menschlichen Drama entwickelt. |
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Die
Geschichte, um die es hier geht, "tragisch"
zu nennen, ist nicht übertrieben. Sie beginnt am
25. April 1996. Der Geburtstag des kleinen Anthony (alle
abgekürzten Namen der Redaktion bekannt), der unehelich
bei seiner Mutter Marion D. aufwächst. Anthony D.
ist aus diesem Grund auch von Geburt an beim Jugendamt
des Landkreises gemeldet, das die Amtspflegschaft für
den Jungen übernimmt. |
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Vielleicht
hat alles damit angefangen. Mit Sicherheit aber im Mai
1996, als Marion D. an Krebs erkrankt, eine Behandlung
im Mutterkrankenhaus Trier beginnen muss. Sie bittet ihre
Schwester Petra K. und den Schwager Albert K.: Helft mir,
kümmert euch um das Baby. Das tun die beiden gern.
Sie sind kinderlos, und in den eineinhalb Jahren die Anthony
bei ihnen bleiben wird, wird ihnen der Junge ans Herz
wachsen. Ein "enges, nahezu mütterliches Verhältnis
zu Anthony" seitens der 28-Jährigen und des
30-Jährigen, eine "liebevolle Umgebung"
wird den beiden am 13. Januar 1998 Dr. med. W. Dornoff,
Chefarzt der Radio-Onkologie im Mutterhaus, schriftlich
zur Vorlage beim Jugendamt in Bitburg bescheinigen. Fast
täglich fahren die Zwei mit dem Jungen von Bitburg
nach Trier zur Mutter und zurück. Doch die Hoffnung
auf Heilung erfüllt sich nicht. Marion D. ahnt es.
Am 15. September 1997 setzt sie ihr Testament auf. Ihr
letzter Wille: Ihr Sohn soll bei Petra K. und Albert K.
ein neues Zuhause finden. "Ja", sagt Petra K.,
"wir hätten ihn adoptiert. Wir wollten keine
Vormundschaft. Wir hätten ihm Liebe gegeben". |
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"Der
Kinderschutz steht im Vordergrund" |
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Dann
überstürzen sich die Ereignisse. Am 30. Oktober
1997 stirbt die Großmutter von Marion D. und Petra
K. Am 11. November erliegt Marion D. ihrem Krebsleiden.
Das ist zu viel für das Ehepaar K. Es bricht zusammen.
Psychisch erschöpft werden die Beiden stationär
aufgenommen. Den kleinen Anthony geben sie bei der Schwester
von Albert K. ab. |
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Warum
die Frau mit dem Jungen kurz nach dem 11. November 1997
beim Jugendamt auftaucht, das Kleinkind den Behörden
überlässt, wird sie am 18. November in einer
Anhörung noch einmal erklären: "Sie sagte,
die beiden sind mit der Erziehung überfordert",
so Rechtsanwalt Wolfgang Simon, der das Ehepaar vertritt.
Zu diesem Zeitpunkt, Mitte November, ist Anthony D. schon
jenseits seines gewohnten Zuhauses. Eine Pflegefamilie
im Südkreis hat ihn auf Bitten des Jugendamtes angenommen.
Seitdem tickt für Albert und Petra K. die Uhr. "Mit
jedem Tag, den der Junge bei den Pflegeeltern war, wurde
der Gewöhnungseffekt größer". "Geschaffene
Tatsachen", wie sie Simon bewertet. Anträge
auf Übertragung der Vormundschaft auf Petra und Albert
K. werden vom Amtsgericht Bitburg abgewiesen. Und ein
psychologisches Gutachten vom 27. Mai 1998, im Auftrag
des Amtsgerichtes, attestiert Albert und Petra K. "bedingt
erziehungsfähig zu sein". |
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Stephan
Schmitz-Wenzel, zuständiger Dezernent der Kreisverwaltung:
"Gründe für die Abgabe des Kindes an die
Pflegeltern waren ausreichend gegeben. Der Kinderschutz
steht im Vordergrund". Mehr kann Schmitz-Wenzel aus
Datenschutzgründen nicht sagen. Aktenkundig beim
Amtsgericht am 28. Oktober 1998 gibt das Ehepaar auf.
"Wir haben ein Jahr lang gekämpft. Zum Wohle
des Kindes sind wir mit dem Verbleib bei den Pflegeltern
einverstanden", so Petra K. der Wunsch der verstorbenen
Mutter - er spielt keine Rolle mehr. Anthony D, wird von
dem Kampf um seine "richtigen" Eltern nichts
mitbekommen haben. Ob allerdings das, was seitdem passiert
ist, ebenfalls spurlos an ihm vorübergeht? Zum Streitpunkt,
trotz zweier weiterer Beschlüsse des Amtsgerichtes,
zuletzt am 21. Juli dieses Jahres, wird das Besuchsrecht,
das Albert und Petra K. einfordern. Wenigstens ihn sehen
wollen die beiden. Er ist ihnen ans Herz gewachsen. |
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Surreale
Szenen im Lünebacher Zoo |
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Gegen
richterlicherseits angeordnetes monatliches Recht auf
Visite (sonntags, 14 bis 18 Uhr) wehren sich die Pflegeeltern,
unterlaufen Termine, sind in diesem Herbst verreist. Die
per Gerichtsbeschluss angeordnete Hinweispflicht auf die
Abwesenheit wird ignoriert, so das Ehepaar K. Surreale
Szenen spielen sich ab: Am 23. Oktober dieses Jahres fahren
die vier Eltern-Anwärter, eine Mitarbeiterin des
Jugendamtes und der Junge in den Lünebacher Zoo.
Kind vor Tieren mit Bodyguards. Auch am Samstag vor Nikolaus
ist so ein Tag. Albert und Petra K. reisen mit dem Taxi
an. Einen eigenen Wagen können sich die Zwei nicht
leisten. Sie müssen unverrichteter Dinge wieder zurück.
Pflegeeltern und Jugendamt verweigern jeden Kontakt zu
dem Jungen. Er wolle die beiden nicht sehen. "Auch
nicht Hallo sagen'", so Albert K. |
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Gründe?
Klar ist, das sich das vom Jugendamt mit der Erziehung
betraute Ehepaar bedrängt fühlt. Besuchskontakte
zu Albert und Petra K. sollen auf das absolute Minimum
beschränkt werden. "Unumstößliche
Forderungen", nennen die beiden das vor Gericht.
"Wie wenig Selbstvertrauen muss eine Pflegemutter
haben, die glaubt, Verwandte könnten in vier Stunden
pro Monat das an Erziehung zunichte machen, was sie in
716 Stunde pro Monat an Erziehung und Pflege in ihr Pflegekind
investiert haben", schreibt das Vormundschaftsgericht
im Beschluss vom 21. Juli. |
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Das
Ehepaar G. geht nun in die nächste Instanz. Das Oberverwaltungsgericht
Koblenz wird entscheiden. Darüber, wann Albert und
Petra K. Anthony D. wie lange sehen dürfen. |
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Wie
es dem Dreijährigen bei all dem geht? "Wir wissen
es nicht, wir dürfen ihn noch nicht einmal anrufen",
so Petra K. Sein Nikolaus-Geschenk haben sie dem Kind
am vergangenen Samstag dann "einfach vor die Haustür"
bei den Pflegeeltern gelegt. |
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Ein
Besuchsrecht stand ihnen auch heute zu. Als Ersatz für
den geplatzten Termin. Er wurde auf Anordnung des OLG
ausgesetzt. Das Wohl des Kindes steht für das Bitburger
Jugendamt im Vordergrund. Die Behörde könnte
den Jungen an eine neue Familie weitergeben, wenn sie
das Gefühl hat, dass die beiden Parteien keine Lösung
finden, um Anthony aus der Schusslinie zu nehmen. |
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Die
Pflegeeltern waren gegenüber dem TV zu keiner Auskunft
bereit. |
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Trierischer
Volksfreund - 1999 |
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